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Von #1 bis heute: So schreibe ich mich durch die schlimmste europäische Krise seit dem Zweiten Weltkrieg.

#10 Demokrat(:inn)en in der Pflicht

#10 Demokrat(:inn)en in der Pflicht

Dienstag, April 1, 2025

Für die Erosion der Demokratie in den USA tragen auch die Demokraten Verantwortung. Was dies für uns Europäer:innen, Schweizer:innen bedeutet.

„An allem Unfug, der geschieht, sind nicht nur die schuld, die ihn begehen, sondern auch diejenigen, die ihn nicht verhindern“, schrieb Erich Kästner in "Das fliegende Klassenzimmer". Ersetzen wir Unfug mit Unrecht und beachten wir das Jahr der Veröffentlichung: 1933, die Machtübernahme durch die Nazis. Ziehen wir dann eine Parallele zur rasenden Erosion der Demokratie in den USA.

Es fällt nicht schwer, die Täterschaft bei Trump/Musik/Vance zu verorten. Wie aber steht es um die "Mitschuld"? In einem Interview mit David Remnick vom "New Yorker" spricht der demokratische Senator Chris Murphy von der Rolle und Verantwortung seiner Partei.

Nicht nur stellt Murphy knallhart fest, dass es durchaus nicht sicher sei, dass 2026 (Kongress) und 2028 (Präsidentschaft) noch freie Wahlen stattfinden. Das System sei bis dahin bereits so ausgehöhlt, dass eine Opposition gar keine Chance mehr habe. Mit seiner Partei geht der Politiker ebenso hart ins Gericht: Allerspätestens jetzt heisse es, den Kampf aufzunehmen und den Widerstand an- und in die Strassen zu führen. So, wie Bernie Sanders und Alexandria Octavia-Cortez (AOC) es gerade tun: (noch) Ausnahmen innerhalb einer fassungslosen Opposition.

Die Demokraten, so Murphy, stehen heute für den Status Quo. Sanders und AOC dagegen bringen progressive Themen unters Volk: "populistische" Wirtschafts-, Steuer-, Bildungs- und Gesundheitsthemen, die die Leute am meisten beschäftigen. Die Menschen reagieren enthusiastisch.

Für uns Europäer:innen und Schweizer:innen stellt sich die Frage, ob nicht auch hier gerade eine Erosion der sozialen Demokratie stattfindet. In Frankreich hat 2022 die sozialistische Präsidentschaftskandidatin gerade noch 1.8 Prozent (!) der Stimmen geholt. In Deutschland sackte eine träge SPD bei den jüngsten Wahlen ins Elend. Über den Erfolg der harten Rechten brauche ich nicht zu berichten. Gleichzeitig hat die Partei "Die Linke" einen Wahlerfolg genau mit jenen Themen erzielt, die ganz vielen Bürger:innen Sorgen machen. 

Und in der Schweiz? Ich habe den Eindruck, dass man sich oft darauf beschränkt, in den reichen, satten Städten die Überschüsse des Systems umzuverteilen.

Man muss kein Linker sein, um sich davor zu fürchten, das die Anliegen der zunehmend bedrängten Schichten nicht ernstgenommen werden. Auf diesem Nährboden spriesst und wuchern die harte Rechte, die Autokratie, der neue Faschismus. 

Fortsetzung folgt.

                                                                               Foto: Sam Van Pykeren/Mother Jones

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