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Eine Emanzipation von den USA kann Angst auslösen. Wie berechtigt ist sie?
In meinem letzten Post, gestern, habe ich für eine engagierte Sachlichkeit und die Emanzipation von Amerika plädiert. Letztere mag – vielleicht zu Recht – Angst auslösen: In den vergangenen Tagen und Wochen ist viel darüber geschrieben worden, dass Europa wesentliche Grundlagen seiner Existenz an Amerika delegiert hat, vor allem seine Sicherheit.
Ein enormer Teil europäischer Daten ist jenseits des Atlantiks gelagert. Wir kommunizieren auf amerikanischen Kanälen. Wir werden amerikanisch unterhalten. Der US-Markt ist ein hungriger Abnehmer europäischer Industriegüter. Die Industrie der EU verkauft viele Waren nach USA: Medikamente, Fahrzeuge usw. Tatsächlich schreibt Amerika hier ein massives Handelsdefizit von 156.6 Milliarden Euro.
Wenn wir aber Dienstleistungen anschauen, dann kehrt sich die Situation um: Die EU importiert für 108.6 Milliarden mehr als sie nach USA exportieren. Die Zahlen stammen vom Europäischen Rat und beziehen sich auf 2023. Das wirkliche Handelsdefizit beträgt also nur 48 Milliarden. Bei einem Gesamtumsatz von 1.7 Billionen, sind das bloss 2.3 Prozent.
Mir scheinen diese Zahlen in zweierlei Hinsicht interessant: Erstens, mindestens in wirtschaftlicher Hinsicht befindet sich Europa weit weniger in einer schwachen Verhandlungsposition. Hingegen, zweitens, was Dienstleistungen angeht – z. B. Finanz-, Cloud- und Streamingdienste – ist es Zeit, europäisch zu handeln.
Fortsetzung folgt.
PS. Und die Schweiz? Das schreibt das EDA in seinem Wirtschaftsbericht 2024 USA:"Im Gegensatz zum Güterhandel verzeichnet die Schweiz beim bilateralen Dienstleistungshandel mit den USA historisch ein Defizit (Daten von 2022). 2022 betrug es 21 Mia. CHF. Der bilaterale Handel bei den Dienstleistungen belief sich insgesamt auf 70.9 Mia. CHF und übersteigt damit den Güterhandel."
Bild: Europäischer Rat