Blog
Aus Genf sollen zahlreiche UNO-Stellen abgezogen werden. Ist das der Beginn einer Décroissance in der wirtschaftlich überhitzten Rhone-Stadt?
Zwei Neuigkeiten sorgen in Genf gerade für Aufregung:
Erstens, ein Memo des UNO-Generalsekretärs an seine kostspieligsten Standorte, zu prüfen, welche Stellen ab 2026 an günstigere Standorte delokalisiert werden könnten.
Zweitens, der Rücktritt des grünen Regierungsrats Antonio Hodgers mitten in der Legislaturperiode.
Natürlich gibt es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen. Aber es gibt einen interessanten Aspekt, der sie verbindet. 2022 hat der für Wohnungsbau zuständige Hodgers mit einer ungemein mutigen Äusserung viel Entrüstung geerntet, als er in einem Interview erklärte, (sinngemäss) dass sich die Wohnungsnot in Genf nur mit einer Drosselung des Wirtschaftswachstums liesse. Er forderte eine höhere Besteuerung multinationaler Konzerne. Für diesen Mut wird uns Hodgers fehlen.
Die UNO ist zwar kein «Konzern», und sie dürfte die Wirtschaft in der Rhone-Stadt weniger anheizen als Rohstoffhandel und Vermögensverwaltung. Aber sie ist auch nicht nur Opfer der hohen Lebenskosten, sondern Mitverursacherin. Der Entscheid, einen Teil ihrer Tätigkeiten zu dezentralisieren, könnte deshalb auch als Zeichen jener Décroissance interpretiert werden, die von vielen Grünen gefordert wird. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die hitzige Wirtschaft sich wegen dem UNO-Entscheid abkühlen und die Lebenskosten in Genf spürbar sinken werden.
Dass derweil in Genf der Multilateralismus einen Schlag einstecken muss, ist umso tragischer. Der – ebenfalls grüne – Nationalrat fordert deshalb vom Bundesrat, sich mehr für den Multilateralismus einzusetzen.
Interessant ist diese Wachstumsdebatte im Hinblick auf – kurzfristig – die Abstimmung zur Senkung der Unternehmenssteuer im Kanton Zürich (am 18. Mai) und – mittelfristig – jener zur 10-Millionen-Schweiz-Initiative.
Foto: Wohnblocks im internationalen Viertel in Genf (Foto: M. Wyssmann)